Liebe leben: Wie Zen und EFT die Kraft der Bindung entfalten

Von 2000 bis 2010 praktizierte und unterrichtete ich Zen in der Rinzai-Tradition. Im Jahr 2011 entschieden Christine Weiß und ich, uns zusammen auf die Arbeit mit Paaren und Sue Johnsons bindungsbasierte, emotionsfokussierte Therapie (EFT) zu konzentrieren. Regelmäßig fragen Klient*innen, wie EFT & Zen, Bindung & Nicht-Bindung, Attachment & Non-Attachment zusammenhängen. Wie würde ein Gespräch zwischen Gautama Buddha und John Bowlby verlaufen?

Warum brauchen auch Erwachsene Bindung?

Wir Menschen sind bei der Geburt alle ziemlich ähnlich – wir werden mit einem tiefen Bedürfnis nach Bindung geboren. Als Kind ist Bindung die wichtigste Voraussetzung, um zu überleben und zu wachsen. Während wir aufwachsen, entwickelt sich ein Selbst, das fähig ist, Beziehungen zu uns selbst und zu anderen wahrzunehmen. Belastende Kindheitserfahrungen oder ein mögliches Entwicklungstrauma beeinflussen jedoch maßgeblich, in welchem Maße wir in diesen Beziehungen Verbundenheit zulassen können oder auf Bewältigungsstrategien angewiesen sind.

Als Erwachsene unterscheiden wir uns darin, wie weit wir:

  • … Verbundenheit zu anderen zulassen und Koregulation nutzen können,
  • … Verbundenheit zu uns selbst zulassen und uns ohne Dissoziation selbst regulieren können,
  • … Selbstwirksamkeit erfahren.

Der Forscher Dr. James Coan geht davon aus, dass Selbstregulation eine energieaufwendigere und schwierigere Methode ist als Koregulation, da Koregulation der natürliche Grundzustand unseres Gehirns ist. Es ist für uns untypisch, allein zu sein und unsere Gefühle allein zu regulieren.

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Why we hold hands: Dr. James Coan at TEDxCharlottesville 2013

Bindungsbeziehungen bieten die ideale Umgebung für Koregulation. Durch den Blick, die Stimme und die Umarmungen eines anderen fühlen wir uns mit unseren Gefühlen nicht allein. Das hilft uns, herunterzukommen und das emotionale Gleichgewicht wiederzufinden. Koregulation geschieht im limbischen Teil unseres Gehirns, dem Sitz unserer Emotionen. Die Regulierung findet also dort statt, wo die Emotionen entstehen – ein effektiver Ansatz, den wir mit anderen Säugetieren teilen.

Als EFT-Paartherapeut*innen sind wir jedes Mal, wenn wir einem Paar begegnen, erneut erstaunt über die Einzigartigkeit und die tiefe Basis ihrer Liebesbeziehung. Kein Paar gleicht dem anderen in ihrem emotionalen Tanz und dem gemeinsamen Weg zum Wachstum. Gleichzeitig ist es aus der Perspektive der Koregulation verständlich, dass alle Paare, so einzigartig sie auch sind, sich ein Zuhause und einen Rückzugsort wünschen, an dem sie sich beieinander sicher und mit ihren Gefühlen nicht allein fühlen.

Wir brauchen Bindung, um zu leben – als Kinder und als Erwachsene. Wir Menschen benötigen Liebe und Freundschaften. Auch wenn unser Leben sehr unterschiedlich sein kann, bleiben Bindungsbeziehungen unser Zuhause – sie geben uns Kraft im Leben und Trost im Sterben.

„Wir alle werden in Hilflosigkeit und vollständiger Abhängigkeit geboren, und wir alle sind sterblich und wissen darum. Die einzige Möglichkeit, mit dieser Verletzlichkeit auf gesunde Weise umzugehen, besteht darin, den Kontakt zu anderen zu suchen und einander Halt zu geben. Nur so können wir gelassen und gestärkt in die Welt hinausgehen.“

Jonathan Shay, Odysseus in America

Was bedeutet Nicht-Bindung im Zen?

Im Zen-Buddhismus wird vom „Monkey Mind“ gesprochen – dem reaktiven Bewusstsein, in dem das Ego mit scham- und stolz-basierten Identifikationen seinen Sitz hat und Bewältigungsstrategien im Vordergrund stehen. Der „Monkey Mind“ ist jener Teil in uns, der von Illusionen und ruhelosen Alltagsgedanken geprägt ist und nach Befriedigung in der Außenwelt sucht. Im Gegensatz dazu beschreibt der Zen-Buddhismus das „Big Mind“ als das erwachsenen Selbstbewusstsein oder die „Buddha-Natur“: ein Zustand jenseits des Ego, in dem wir mit unserem Wesenskern verbunden sind, der angstbasierte Identifikationen überwindet und tief in Frieden und Mitgefühl verwurzelt ist – wie Thich Nhat Hanh es ausdrückte. Das „Big Mind“ nimmt individuelle Gedanken und Gefühle wahr, aber sie verändern den Bewusstseinszustand nicht.

Nicht-Bindung, also non-attachment, bedeutet im Zen, dass wir nicht in unserem reaktiven Bewusstsein mit seinen stolz- und schambasierten Identifikationen und individuellen Bewältigungsstrategien verhaftet bleiben, sondern durch einen Prozess der Disidentifikation unser wahres Selbst leben können. Nicht-Bindung bedeutet also nicht, dass Zen Bindungsbeziehungen ablehnt. Im Gegenteil, auch Zen-Meister*innen leben Liebesbeziehungen.

Erleuchtung, das Ziel im Zen, ähnelt also nicht dem unverbundenen Zustand, den Menschen mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsstil erleben, wenn sie versuchen, mit dem emotional distanzierten Reagieren von Bindungspersonen und der fehlenden Koregulation umzugehen. Obwohl belastende Kindheitserfahrungen, bei denen der Kontakt zu den eigenen Gefühlen nicht aufrechterhalten werden kann, zu einer Art pathologischer Erleuchtung führen können, ist diese Form der „disembodied cognition“ nicht die „erwachsenen Selbstbewusstsein“-Erleuchtung, die im Zen angestrebt wird. (Rients Ritskes im persönlichen Gespräch.)

Wie kann Zen dazu beitragen, Bindung zu leben?

Zen gilt als das Mekka der Selbstregulation. Wenn ich meditiere, bin ich allein – die Stimme des Anderen, seine Augen, seine Berührungen: All das ist nicht da. Selbstregulation wurde in der psychologischen Forschung intensiv untersucht und wird allgemein über den präfrontalen Kortex gesteuert, die Region unseres Gehirns direkt hinter der Stirn – dort, wo Yogis das dritte Auge vermuten und, vereinfacht gesagt, der Sitz unserer Selbstdisziplin ist.

Wie kann Zen trotz dieses Fokus auf Selbstregulation die Fähigkeit zu Bindung und Koregulation fördern?

Mein Zen-Meister Rients Ritskes hat mir über die Jahre, in denen ich in seiner Zen-Schule meditiert und unterrichtet habe, gezeigt, wie Zen individuelle Bewältigungsstrategien sichtbar macht. Mithilfe von Zen-Meditation, Ritualen und unlösbaren Rätseln – den Koans – begleitet die Zen-Meister*in die Schüler*in wie ein*e Therapeut*in aus dem Gefängnis der eigenen Bewältigungsstrategien hin zur emotionalen Ganzheit und Lebenskraft. Ein anschauliches Buch über diesen Prozess bleibt „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von Eugen Herrigel, geschrieben im Jahr 1929.

„Jede Person ist wie ein Koan, den ich nicht mit meinem rationalen Verstand lösen kann. Ich muss mich vollständig darauf einlassen und zugleich ganz ich selbst bleiben, damit ihr Koan und meine Reaktion darauf zu einer Einheit verschmelzen. Wenn diese Einheit das zwischenmenschliche Feld erfüllt, offenbart sich die verborgene Freundlichkeit des Lebens, die in jedem von uns vorhanden ist.“

Mark Epstein, The Zen of Therapy

Bindungsbasierte EFT als Starthilfe für die Liebe

Nicht mehr in den eigenen Bewältigungsstrategien gefangen zu sein und Zugang zur eigenen Lebenskraft zu haben bedeutet nicht automatisch, dass wir damit auch ein Gespür dafür entwickeln, wie wir Bindung und Koregulation leben können. Hier kann ein Ansatz wie die bindungsbasierte EFT äußerst hilfreich sein. Durch emotional korrigierende Erfahrungen in einem geschützten, sicheren Raum unterstützt die EFT-Therapeut*in dabei, einen neuen Umgang mit Gefühlen zu erschließen. EFT-Paartherapie wirkt oft als Starthilfe für die Liebe.

„Viele von uns haben noch nie eine richtig gute Liebesbeziehung gesehen. Eigentlich versuchen wir, etwas zu erschaffen, das wir nie gesehen haben. Wir versuchen, eine Sprache zu sprechen, die wir nie gesprochen haben. Wir wundern uns, warum das so schwer ist.“

Sue Johnson
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Prof. Dr. Paul Greenman stellt auf seine lebendige, fundierte Weise über einige der neuesten Erkenntnisse der Bindungswissenschaft zum Thema Paarbeziehung, Liebe, Bindung und Sexualität vor. Er bringt uns nahe, wie die Qualität von unseren wichtigsten Beziehungen unsere Gesundheit und unser Glücklichsein beeinflusst.

Er ist Professor für klinische Psychologie und Leiter der Abteilung für Psychoedukation und Psychologie der Université du Québec en Outaouais. Seine Forschungsinteressen betreffen emotionale und soziale Entwicklung, Paar-Psychotherapie und klinische Gesundheitspsychologie. Er ist zertifizierter EFT-Trainer des International Centre for Excellence in Emotionally Focused Therapy (ICEEFT), Autor mehrerer Studien und Artikel über EFT und spricht fließend Deutsch.

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