Wie nähert man sich wieder an? 

Die meisten Paare verlieren irgendwann in ihrer Beziehung Nähe, Wärme und Verbundenheit. Oft passiert dies schleichend und sporadisch mit größeren Verletzungen, die einen massiven Schubs in Richtung Unverbundenheit geben. Fast immer bleibt in dieser Abwärtsspirale auch der Sex auf der Strecke. 

Wie nähert man sich wieder an? Tipps im Internet können sehr oberflächlich sein: „Entspannt euch! Seid mal wieder zärtlich zueinander! Macht mal etwas anderes! Habt mal spontan Sex! Unternimm öfter auch mal etwas alleine! …“

Nach einer Sitzung mit einem eigentlich sehr netten Paar, Eltern von zwei Kindern, das sich leider in einem negativen Muster verfangen hat und sie ihm erzählt hat, das Gefühl zu haben, ein „Dreckstück“ für ihn zu sein, musste ich an „Ich bin o.k. Du bist o.k.“, das erste Psychologie-Buch, das ich gelesen habe, denken. Es muss Mitte der 90er gewesen sein, ich war 15, habe viel Schach gespielt und hatte einiges mit meinen Eltern aufzuarbeiten. Zentrale Themen des Buches: Als Mensch treffen wir für uns selbst früh und unbewusst eine Gefühlsentscheidung.

  • „Ich bin okay. Du bist okay.“ oder
  • „Ich bin nicht okay. Du bist okay.“ oder
  • „Ich bin okay. Du bist nicht okay.“
  • Die letzte Möglichkeit – „Wir sind beide nicht okay.“ – kommt glücklicherweise fast nie vor.

Diese frühe Entscheidung ist wie eine Tonspur, die meist unbewusst im Hintergrund mitläuft, uns selbst nur ausnahmsweise bewusst ist und nur von Menschen, die uns besser kennenlernen und aufmerksam sind, bemerkt wird.

Diese Erkenntnis ist jetzt 40 Jahre her und die Bindungswissenschaft hat uns seitdem geholfen, zu verstehen, warum jeder Mensch schon sehr früh diese Entscheidung trifft.

  • Wenn wir mit unseren Eltern Glück haben und sie ausreichend in der Lage sind, uns Sicherheit, Mitgefühl und Aufmerksamkeit zu geben, ist „Wir sind beide okay.“ selbstverständlich.
  • Wenn wir weniger Glück haben, können wir nicht sagen „Meine Eltern sind nicht okay.“ Wir müssen als kleines Kind die Beziehung mit unseren Eltern aufrechterhalten. Bleibt uns also erst einmal „Ich bin nicht okay. Du bist okay.“ als einzige Option. Diese Position wird auch Scham-basierte Identifikation genannt – wir identifizieren uns mit Scham, um zu überleben.
  • Wenn wir aufwachsen, kann ein Moment kommen, in dem wir die Spitze umdrehen und uns zu „Ich bin okay. Du bist nicht okay.“ – auch Stolz-basierte Gegenidentifikation genannt – umentscheiden. Wir identifizieren uns mit Stolz, um nicht weiter in Scham zu versinken. Wir sehen von außen stark aus, gleichzeitig sind wir innerlich wund.

Dieser Ausschnitt von einem Vortrag von Brené Brown zeichnet ein treffendes Bild davon, wie die Tonspur „Ich bin okay. Du bist nicht okay.“ mitläuft: https://youtu.be/Pb7sfVa8KhE (3:30 Min.)

Wenn ich von meinem Vater wie ein Dreckstück behandelt wurde, ist die Chance groß, dass auch mein Partner mich am Ende als Dreckstück sieht. Wenn ich von meiner Mutter abgelehnt wurde, ist die Chance groß, dass auch meine Partnerin sich am Ende von mir trennt.

Die emotionsfokussierte Paartherapie Methode

Wie entkommen wir mit Hilfe der emotionsfokussierten Paartherapie (EFT) diesem Kern-Drama und wie nähern uns wieder an?

  • Uns unserer Position und den Mustern, die wir mit anderen kreieren, bewusst werden und diese stoppen.
  • Statt in Stolz und Scham zu verharren, zeigen wir unsere Verletzlichkeit den Menschen, die uns wichtig sind.
  • Wir lernen, Brüche in der Verbundenheit zu reparieren.

Das alles hört sich einfach an, ist aber leider in der Praxis meistens herausfordernd. Es braucht Zeit, Alternativen kennenzulernen für die Art, mit der wir gelernt haben, zu überleben. Wir begleiten Sie gerne dabei.

Mehr zum Thema Verletzlichkeit und einen Vortrag von Brené Brown finden Sie hier: https://www.lovie.de/loviepedia/verletzlichkeit/

P.S.: Thomas Harris’ Buch „Ich bin o.k. Du bist o.k.“ würden wir Ihnen nicht empfehlen. Es fehlt zu viel in diesem Buch aus den 80ern, um wirklich hilfreich zu sein. Falls das Thema Sie interessiert, sind Sue Johnsons „Halt mich fest“ sowie Laurence Hellers und Brad Kammers „Praxisbuch Entwicklungstrauma heilen: Wege zur Auflösung von Beziehungs-, Entwicklungs- und Bindungsstörungen. Das Neuroaffektive Beziehungsmodell NARM™“ wahrscheinlich hilfreicher.

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